Juli 19, 2021

Die Grundlagenbeiträge bauen aufeinander auf, deshalb lies sie bitte der Reihe nach - beginnend mit der Startseite. Verpasste Beiträge sind in der Übersicht am Ende der Seite zu finden.

Fünfter Beitrag der Grundlagen-Reihe

Es hieß früher, der Deutsche liebe die Ruhe und Beschaulichkeit. Ich denke, da ist was dran, auch dass wir uns von der Stille im dunklen Wald und „tiefem Grunde“ angezogen fühlen. Zumindest war das einmal so, bevor Radio und Fernsehen die Stille vertrieben.

Frieden wollen

Wir haben gerne unseren Frieden, so heißt es ebenfalls, wobei einseitig die Bedeutung von „lass mich in Frieden“ betont wird. Die andere ist, was als Selbstverständnis in deutschen Landen Politik wurde, nämlich aus Liebe zum Frieden diesen auch wahren zu helfen.

Wir sind Friedenstifter, und dazu berufen.

Wie wir im letzten Beitrag sahen, bedarf es dafür der Fähigkeit, auf keiner Seite (dauerhaft) zu stehen – sondern beide zu ver-stehen und nach Aussöhnung zu suchen. Verständnis aufzubringen ist typisch deutsch, was mit einem überparteilichen Selbstverständnis einhergeht. Man nennt es auch Unvoreingenommenheit – als Gegensatz zur Parteilichkeit.

Sich keiner Partei, Lager oder Clique verpflichtet zu fühlen, sondern höheren Werten wie Wahrheit und Menschenliebe, das liegt im deutschen Wesen.

Doch weil die damit verbundene Großgeistigkeit erlaubt, das Teile und Herrsche-Spiel zu durchschauen, deshalb sorgte man nach dem Krieg im Rahmen der schon erwähnten Umerziehung dafür, dass sie sich nicht entfalten kann. Deshalb wurden wir von Kindesbeinen an zur Konkurrenz und Parteinahme erzogen, und als Wessies und Ossies gegeneinander aufgehetzt.

Doch nun ist Gelegenheit zu bemerken, wie unsinnig das ist, weil wir darüber verlieren, was uns im tiefsten Herzen eigentlich das Liebste ist: Einmütigkeit, Versöhnung und Liebe unter Menschen.

Einschub

Aus der Geisteshaltung, die hier gepflegt werden soll, ist eine Anmerkung angebracht. Im Sinne von Goethes Mephisto ist es nie nur schwarz-weiß, weil das Böse letztlich das Gute schafft. Paradox, aber wahr.

Es war schlimm, was unseren Vorfahren angetan wurde, gar keine Frage. Doch die Deutschen mussten gestoppt und unter Aufsicht gestellt werden, weil sie ihre große Kraft in den Dienst einer Ideologie gestellt hatten, die das Gegenteil von Deutsch ist. Menschen und Völker zu verbinden und als Vermittler Verständigung zu ermöglichen, das war und ist unsere Aufgabe; aber nicht, unsere Identität in der Abgrenzung als Volk gegenüber anderen Völkern zu finden.

Erzogen zum sich outen

Doch zurück zur Parteinahme. Seit Jahrzehnten werden wir von klein auf ermuntert, uns mit einer Partei, einer Auto- oder Modemarke, Musikrichtung, Fußballverein oder Lebensstil zu identifizieren. Ja, ich bin Punker! Ich bin Bayern-München Fan. Ich bin Wessie, Grüner, Linker, Rechter, Nationalist oder Internationalist usw.

In Coronazeiten ist Gelegenheit, die Unsinnigkeit dieses ewigen „outens“ als dieser oder jener zu bemerken.

Wir sind jetzt in so viele Farben, Grüppchen, Lager und Meinungen gespalten, dass wir unfähig zum Zusammenhalt sind, wenn es darauf ankommt. Deshalb können ein paar Leute in Berlin mit den Millionen machen, was sie wollen.

Spätestens jetzt wäre der Zeitpunkt, mit vereinten Kräften direkte Mitbestimmung auf Bundesebene zu fordern und notfalls mit Generalstreik durchzusetzen. Aber dazu wird es derzeit nicht kommen, einfach weil fast jeder die Mehrheit seiner Landsleute als Feinde sieht, zumindest als Idioten.

Corona bietet die einzigartige Chance, wieder fragend aufeinander zuzugehen. Was sagt oder tut jemand, und was ist gemeint? Welche Motive haben andere Menschen, was bewegt sie?

Das zu erfragen haben wir zwar nicht lernen und üben dürfen, doch immer mehr von uns fühlen ja, dass wir uns weitere Befremdung nicht leisten können. Am Ende ist jeder einsam und allein, und wer will das schon. Die totale Versklavung und (digitale) Isolation vor Augen stellt sich uns die Schicksalsfrage.

Sind wir jetzt willens, die Identifikation mit einseitigen (z.B. völkischen) Standpunkten aufzugeben? Uns davon mindestens zeitweilig zu lösen, um die der anderen zu erforschen und Brücken zu bauen?

Denn Brückenbauer sind wir.

Die Qual der Wahl?

Was uns dabei im Wege steht, ist u.a. der ständig vermittelte Eindruck, nur eine der jeweils angebotenen Positionen sei die Richtige. Also entweder stelle ich mich auf die grüne Umweltseite, die rote soziale Seite, oder auf die schwarz gefärbte des Unternehmertums. Und wenn sie nicht gestorben sind, kämpfen sie auch in tausend Jahren noch.

Prüfen wir diesen Zwang zur scheinbar alternativlosen Wahl am Bau eines Hauses. Da gibt es i.d.R. dreierlei zu berücksichtigen.

  • Es sollte sich in die Landschaft fügen,
  • durch seinen inneren Aufbau das Zusammenleben fördern, sprich Privatsphäre UND Gemeinschaftlichkeit ermöglichen,
  • und es muss wirtschaftlich tragbar sein.

Wir haben also grüne, rote und schwarze Aspekte zu berücksichtigen – aber um was zu tun? Um Familienleben im Einklang mit Umwelt und Wirtschaft zu ermöglichen. Eigentlich ganz einfach und normal.

Doch jetzt stell Dir vor, man würde nicht nach einer ausgewogenen Lösung suchen, sondern die grüne Seite wollte plötzlich dominieren! Nur noch die Umwelt zählt! Oder die soziale Fraktion wollte ihre Belange über die aller anderen stellen – was wäre dann?

Dann wären wir mitten im Irrsinn der aktuellen Zeit. Denn was sind Parteien, oder was sollten sie sein? Einfach Menschen, die einen bestimmten Aspekt zur Sache beleuchten und in die Beratung einbringen.

Ein per Fraktionszwang voreingenommener Abgeordneter ist ein Unding, zumindest heutzutage. In alter Zeit entschied letztlich der König oder Obere, und ihm oblag die Abwägung der Informationen, die seine Wesire oder Berater beisteuerten. Doch dieses Prinzip ist im Zeitalter der Freiheit und Mündigkeit nicht mehr zeitgemäß. Abgesehen davon hätten sich die früheren Berater nicht gestritten, eben weil der König das letzte Wort hatte.

Zukünftig geht es darum, den eigenen Blickwinkel einzubringen, wobei man die Sache an sich im Bewusstsein behält.

Ob es nun um den Bau eines Hauses geht, oder um das Zusammenleben von Millionen Menschen: es gibt immer (mindestens) diese drei Aspekte zu berücksichtigen und in Einklang zu bringen.

Was im Bundestag passiert, hat nichts mit Wahrheitsfindung zu tun, dem Finden des Einklangs für die rechte Lösung – sondern mit dem Aneignen bestimmter Positionen zur Erreichung persönlicher Interessen. Dieses Machtgerangel muss unbedingt aufhören, und Parteien aufgelöst werden zu Gunsten freier Abgeordneter, die ihrem Gewissen folgen dürfen.

Schluss mit dem Theater!

Ich könnte mir vorstellen, dass man bei der deutschen Frage alles mögliche erwartet, aber nicht die Forderung nach Abschaffung der Parteien. Sollte sich gar Empörung über so einen Unfug regen, wäre es wunderbar, weil wir dann die Wunde spüren können.

Vielen ist klar, dass im Hintergrund ganz andere die Fäden ziehen, die über den Parteien stehen. Ein weiterer Blick offenbart, dass in der Großen Koalition die Farben ja schon augenfällig verschmolzen sind. Es ist alles nur noch Theater – wobei, ich gebe es zu, dieses irgendwie auch Spaß macht. Die hier zu beschreibende Geistesart erwacht jedoch erst, wenn man es schafft, sich aus dem Spiel zu ziehen und das Treiben aus dem Abstand zu betrachten.

Es ist wie beim Tennis, wo beim rhythmischen Wenden des Kopfes dieses wunderbar einlullende Gefühl entsteht. Die Grünen sagen, die Roten erwidern. Rede und Gegenrede, hin und her, her und hin…

Dann wird das Kasperletheater sofort offensichtlich, und das ist die Art des Erwachens, für das ich plädiere.

Seine Hoffnung weiter auf eine der Parteien und Streithähne zu setzen, ist nicht nur realitätsfremd; stillschweigend billigt man auch die andauernde Verletzung des deutschen Prinzips: die unvoreingenommene Überparteilichkeit zu wahren, die durch sinnvollen Ausgleich der Aspekte nach einer geglückten Lösung sucht.

Die Losung für jede politische und andere Beratung wird in der deutschen Nationalhymne klar formuliert: „…blüh im Glanze dieses Glückes“. Und was ist Glück? Das ist ein Zustand, den man genau wie den schon besprochenen Sinn nur fühlen kann.

Man fühlt, wenn es geglückt ist und Elemente in Einklang gekommen sind. Der in diesem Wort enthaltene Klang (der Ton macht die Musik, nicht wahr?) verweist darauf, ähnlich wie die Ein-Stimmigkeit, dass es sich um eine musikalische Angelegenheit handelt.

Eine sinnvolle Lösung kann nicht herbeidiskutiert werden, das ist nur in Teilen eine Kopfsache, und auch das Bauchgefühl hilft nur ein Stück. Nach Vorlage der Argumente (Kopf) und der Befindlichkeiten (Bauch) will die Angelegenheit im Herzen bewegt werden, bis man auf eine sinnvolle Lösung kommt.

Ein höherer Zustand ist gemeint, der die Einzelteile und Positionen zu einem lebendigen Bild zusammenfügt und sie umfasst. Dies wird noch klarer werden, wenn wir im übernächsten Beitrag über Hegel und das Dialektische Prinzip sprechen.


Weiter zum sechsten Teil

Du suchst Auswege?

Impfzwang droht und der Verlust aller Freiheit. Doch mit vielen können wir recht leicht eine Parallelgesellschaft bauen.

mein buch zum thema

Zeitgemäße Gemeinschaftsbildung und die Aufgabe der Deutschen

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Erschienen: August 2021
Umfang: 422 Seiten

Grundlagen-Beiträge

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  1. Lieber Thomas Christian, All Deine Ausführungen und Einsichten.bringen endlich wieder etwas zum. Schwingen in mir, und dafür danke ich von ganzem Herzen Dir..

    Liebe Grüße aus Berlin schick' ich Dir nach Leipzig hin.

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Über den Autor

Thomas Christian Liebl

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