Zehnter Beitrag der Grundlagen-Reihe
Heute wird es um Nazi gehen, den vielleicht mächtigsten Totschlagsbegriff aller Zeiten.
Er hindert uns daran, z.B. über die von der Verteidigungsministerin angemahnte Führungsrolle der Deutschen (siehe 2. Beitrag) in aller Ruhe nachzudenken. Denn „Führer“ oder führen wurde ja in den Bannkreis dieses Nazi gezogen, weshalb wir bei diesem und unzähligen anderen Ausdrücken unwillkürlich den Kopf einziehen. Lieber nicht so genau darüber nachdenken!
Doch was, wenn es unsere Aufgabe wäre, genau das zu tun? Der Welt in neuer Art zu sagen, was ein guter Führer eigentlich ist?
Dies Wörtlein hatte ja mal einen Inhalt, damals, als wir noch in Bildern dachten. Da war auf traumhafte Weise fühlbar selbstverständlich, dass nur der Weise, Gütige, Gerechte den Stab der Macht überreicht bekommen durfte. Da hätte man das Gebaren heutiger Politiker vielleicht nicht als Tyrannei benannt, aber doch deutlich empfunden.
Unklare Begriffe – perfekt für Manipulation
Die Worte sind geblieben, aber der Empfindungsinhalt ist fort, oder zumindest höchst verworren. Genau deshalb gibt es noch nicht mal am Stammtisch einen Aufstand, wenn sich die da oben zum x-ten Male unverfroren am Gemeingut bereichern. Der Kopf erkennt das Unrecht, sich mit Maskendeals an der Pandemie zu bereichern, aber das Wissen kommt nicht bis zur Tat.
Vielmehr ergreift uns lähmende Resignation, einfach weil es irgendwie unfassbar ist. Solche Abgebrühtheit übersteigt irgendwie das Fassungsvermögen, oder?
Und noch viel mehr, dass es offenbar keine Konsequenzen gibt. Auch damals nicht, als nach den Anschlägen vom 11. September Donald Rumsfeld verkündete, dass 2,3 Billionen an Steuergeldern irgendwie verloren gingen. Doch es passiert nichts, vielmehr bleiben diese Leute weiterhin in Amt und „Würden“ – ein Hinweis, dass wir nicht mehr wissen, was Würde eigentlich ist.
Niemand weiß es mehr genau, aber wir Deutschen könnten darüber aufklären.
Denn unser Sprach-Schatz ermöglicht nicht nur feinste Beschreibung der Dinge und Verhältnisse, sondern auch die gefühlsmäßigen Qualitäten zu erfassen. Wo für andere nur Gewitter ist, fühlt der Dichter dunkel-dräuend-ballende Gewalten, machtvoll-zornigen Kampf titanischer Naturen. Nur mal so aus dem Handgelenk.
Wir empfinden diese zweite Seite des Daseins, und vermögen sie dank der Tiefe unserer Sprache in Wortgemälde zu gießen – auf dass sie mit nüchtern-klaren wissenschaftlichen Fakten die Ehe eingehen.
Die Spaltung zwischen emotional-weiblicher Spiritualität und rational-männlicher Wissenschaft zu heilen, nichts weniger ist die Aufgabe der Deutschen.
Und deshalb wurde ein Kampfbegriff wie Nazi geschmiedet, als ein Ring der Macht, sie alle zu knechten.
Die andere Seite der Wirklichkeit
Wir müssen, und das betone ich, wir müssen diesen Bannfluch um jeden Preis brechen. Denn solange wir uns vor dem eigenen Sprachschatz fürchten, und vor der Tiefe darin, wird es nimmermehr möglich sein, die Dinge beim wahren Namen zu nennen. So lange werden Schufte die Welt regieren, bis Deutsche Geistigkeit den Krieg der Worte und Ideen durch Verständnis beenden wird.
These / Antithese – damit haben wir begonnen.
Überhaupt zu wissen, dass Wissen und Glaube Polaritäten sind, das ist der erste und ein gewaltiger Schritt. Der zweite, dass Glaube viel mehr ist, als einfach dümmlich nicht zu wissen, sondern eine Seelenhaltung der Empfangsbereitschaft meint, und des Verzichts auf Egosein. Der dritte schließlich ist die Frage, wie Glaube und Wissen zusammenspielen müssen, so dass es auf höherer Ebene sinnvoll ist. Hierzu der große Rudolf Steiner:
„Staunen, Verehrung, weisheitsvoller Einklang mit den Welterscheinungen, Ergebung in den Weltenlauf, das sind die Stufen, die wir durchzumachen haben und die immer parallel gehen müssen dem Denken, die niemals das Denken verlassen dürfen- sonst kommt das Denken zum bloß Richtigen, nicht zum Wahrhaftigen.
Du sollst gar nicht von deinem Denken erwarten, dass es dir Erkenntnisse des Wahren geben kann, sondern du sollst von deinem Denken zunächst bloß erwarten, dass es dich erzieht.“ (GA 134)
Früher verstand ich Rudolf Steiners Anthroposophie als etwas, das sich nur an den (analytischen) Verstand wendet. Durch meine Zuneigung zu Musik, Tanz und Dichtkunst empfand ich das mit der Zeit aber als zu einseitig – bis ich auf diese Aussage (und viele weitere) bzgl. der „Ergebung in den Weltenlauf“ stieß, oder wie wichtig das (dem Glauben verwandte) verehrungsvolle Staunen ist. Da wurde es rund, und führte zu dieser schon gezeigten Darstellung.
Sie sagt mir, dass wir uns in beiden Reichen bewegen können müssen, um z.B. der eigentümlich bannenden Kraft von Kampfbegriffen auf die Schliche zu kommen.
Verschleierung ist ein guter Anfang
Lasst uns beginnen mit der staunenden Frage:
Wie kann es sein, dass vier Buchstaben (n a z i) eine derart durchschlagende Wirkung haben?
Das Eigenartige ist ja, dass es trifft, ein Nazi genannt zu werden, auch wenn der Unsinn offensichtlich ist. Ich habe Zweifel am Klimawandel oder möchte weiterhin in die Mohrenapotheke, und bin deshalb ein Nazi?
Es fällt schwer, sich der Wirkung zu entziehen, nämlich der nebulösen Unterstellung, „so einer“ zu sein. Ein Teilaspekt des Rätsels, den wir im letzten Beitrag behandelt haben. Sobald der Begriff in einem Gespräch fällt, verwandelt es sich schlagartig zum Schauplatz ultimativer Konfrontation. Es reicht eigentlich schon die Frechheit, als vielschichtige Persönlichkeit in eine Schublade gesteckt zu werden, um das Gesprächsklima abzukühlen.
Aber die nicht näher ausgeführte Verdächtigung, man sei als ganzer Mensch ein verabscheuungswürdiges Etwas (denn das liegt ja in der Luft) provoziert den offenen Krieg. Da man diesen nicht führen möchte, und ohne Klärung des Begriffes auch nicht gewinnen kann, gibt man lieber klein bei oder verlässt die Diskussion. So wird eine politische Agenda nach der anderen durchgedrückt.
Versuchen wir also, die Magie dieser vier Buchstaben zu enträtseln.
Verwende Lügen!
Wie schon angedeutet, wirken Lügen und Unwahrheiten lähmend auf das Erkenntnisvermögen. Das geschieht etwa dann, wenn man einen Schuft „Ehrwürden“ nennt, wie auch bei allen nicht korrekten Begriffen – wie dem Nazi.
Denn die richtige Abkürzung für National-Sozialist wäre ja NaSo.
Üblicher- und korrekterweise wird eine Abkürzung aus den Anfangsbuchstaben der Silben gebildet, wie auch bei den JuSos. Da kann man sich trotz der Kurzform immerhin noch eine Vorstellung bilden, nämlich dass die Jungsozialisten gemeint sind. Der Nazi verhindert aber die Bildung einer solchen Vorstellung. Der Versuch der Assoziation läuft (unbemerkt!) ins Leere, und ich behaupte einmal, dass dies Absicht ist. Dann kann man die Leere nämlich wunschgemäß mit allem möglichen füllen.
Weiter geht es mit der Unwahrheit, die Nazis seien als Rechte das Gegenteil der Linken. Wahr ist, dass beide Sozialisten sind!
Die einen haben nur das Wörtlein „national“ davorgestellt. Rechte und Linke werden ja mit schöner Regelmäßigkeit aufeinander gehetzt, doch jetzt stell Dir vor, aus beiden Lagern erschölle plötzlich der Ruf „für Sozialismus“! Na das gäbe eine schöne Verwirrung. Vielleicht würden die Parteigänger sich dann aber erstmals die Frage stellen, wofür sie (außer Randale zu machen) denn eigentlich stehen.
Das wird klarer, wenn wir vor den anderen Sozialismus (der heutigen, in Antifaschisten umgetauften Linken) das fehlende Wörtlein „International“ setzen.
Verbirg, worum es wirklich geht!
Heute beten die meisten nur Parolen nach, ohne sich für Hintergründe zu interessieren. Doch zu Beginn der sozialistisch / kommunistischen Bewegung wurde die Idee noch klar formuliert. Man strebte nach weltweitem Zusammenhalt unter Menschen, einer Kommunität (communis = gemeinsam, gemeinschaftlich). Arbeiter aller Länder sollten sich in einer großen Familie vereinigen, und deshalb sang man die Internationale (siehe hier).
Auch die NaSos, wie wir sie künftig nennen wollen, strebten nach Gemeinschaft. Nur wollten sie die Sozietät auf völkisch-nationaler Ebene verwirklichen, und sangen deshalb Volks- und Heimatlieder. Außerdem sollte das Volk als Ganzes zum Gewehr greifen, nicht nur die Arbeiter. Das wird gleich noch bedeutsam.
Veranschaulichen wir die Motive, wie beide Seiten Gemeinschaft (das Soziale) verwirklichen wollten:
International – national
Einfache Leute vereint – blutsmäßige Völker vereint
Kampf gegen Herrschaft – Kampf gegen volksfremde Elemente
Das sind die eigentlichen Ideen, die zur vernebelnden Schwarz-weiß-Phrase rechts gegen links degenerierten. Nur in der ursprünglichen Form werden die Positionen als These und Antithese sichtbar, und nur dann ist die erlösende Frage nach der Synthese überhaupt möglich. Aus einem endlos wogenden Kampf zwischen Gut (links) und Böse (rechts) werden schlicht zueinander polare Positionen, die durch rechte Ver-Mitt-lung erlösbar sein müssen.
Aber was waren das für Positionen? Was war das eigentliche Motiv dahinter?
Nun, es waren zunächst einmal Versuche, das Soziale Problem lösen, über das Rudolf Steiner u.a. in „Die Kernpunkte der Sozialen Frage“ geschrieben und auch viel gesprochen hat.
Kampf von Natur gegen Kultur
Die alte Welt mit ihren noch gesunden traditionellen Lebensweisen und sozialen Strukturen war im Zuge der Industrialisierung ja zusammengebrochen und alles in Chaos geraten – mit Korrumpierung der Macht, himmelschreiender Ausbeutung etc. Zustände, die es in diesem Ausmaß vorher nicht gab (siehe hier).
Da musste eine Lösung her, und so traten als Lösungsvorschlag zwei konträre Ideen auf, die ihr Heil (auch so ein Wort) im Nationalen bzw. Internationalen suchten.
Was es damit wirklich auf sich hatte, lässt sich mit Beitrag 7 + 8 im geistigen Hintergrund leicht lösen. Wir sprachen ja davon, dass es den Deutschen obliegt, als Bürger zweier Welten (ein besonderer, einmaliger Status!) ein vermittelndes trinitäres Denken in die Welt zu bringen. Was heißt das auf den Fall übertragen?
Wie geschildert ist die irdisch-untere Welt jene, in der wir als Kinder der großen Mutter alle bedürftige Wesen sind. Auch Kaiser müssen auf Toilette und mussten mal gewindelt und gewickelt werden. Als Kinder, so das Fazit, sollten wir alle Schätze der Mutter wie in einer Familie geschwisterlich teilen, weil sie das Leben spendet und ernährt, unabhängig von persönlichen Verdiensten. Egointeressen haben nichts verloren, wo es um Versorgung, Wir und Gemeinschaft geht. Da braucht es das Füreinander-Sein im mütterlichen Umsorgen.
Wir erinnern uns an „den Impuls absolutester Brüderlichkeit, absolutester Vereinheitlichung des Menschengeschlechtes, richtig verstandener Brüderlichkeit mit Bezug auf die sozialen Zustände im physischen Leben.“ aus Teil acht, den uns die Engel heute in die Seelen legen.
Doch das ist nur die eine Seite!
Auf der anderen sind wir nicht nur bedürftige, sondern auch nach Selbstverwirklichung und Weltgestaltung strebende, denkende Wesen. Nicht nur Kinder der Mutter, sondern auch Erwachsene. Das ist der obere oder Ego-Pol, den es braucht, um Kultur zu schaffen. Kultur drückt sich z.B. in der sehr deutschen Haltung aus, dass wir Städte und Landschaften in Ordnung halten, pflegen und liebevoll gestalten. Das ist unser Verständnis davon, wie man das Leben führen sollte (…vom Vater hab ich die Statur, des Lebens ernstes Führen…).
Nur zu (über-) leben hieße, nackt oder nur bedürftig bedeckt im Dschungel zu hausen, wie es Eingeborene tun. Sie leben als Teil der Natur, und als Jäger und Sammler ist ihr ökologischer Fußabdruck sicher optimal. Will man jedoch nicht nur hausen, sondern sich behausen, und bekleiden statt bedecken – sprich kulturvoll leben – dann muss halt auch gerodet werden. Dann müssen wir der Mutter etwas abringen, denn nur feste Bauten bieten Schutz vor ihren Launen, und ermöglicht so kontinuierliche Entwicklung in einer Zivilisation mit Bibliotheken, Gesundheitswesen etc.
Dem Naturwesen steht also als Polarität das Kulturwesen gegenüber.
Wollen wir nicht nur hausende, kulturlose Erdenkinder sein, braucht grenzenlos-globale Brüderlichkeit eine Ergänzung durch begrenzte Heimaten. Menschen und Menschengruppen benötigen einen umgrenzten Raum, in dem sie ihre Vorstellung von Kultur verwirklichen – also wie man nach ihrer Auffassung das Leben führen sollte. Diese Freiheit zur Grenzziehung müssen Menschen haben, insofern sie denkende Kulturwesen bleiben wollen.
Aber genau dieser Pol, der denkerisch-kulturschaffende Pol wurde im Kommunismus bekämpft!
Gute Ideen einseitig verwirklicht
Was sagt es uns, dass zur Begründung der kommunistisch-sozialistischen Weltfamilie (z.B. in Russland und China) nicht nur per Uniformierung für eine Vereinheitlichung und damit Abschaffung kultureller Unterschiede gesorgt wurde – sondern dass zudem Hunderttausende Intellektuelle und Gelehrte ermordet wurden? Woher der Hass auf die Denker, sprich die Leute vom Egopol? War es wirklich nur lange aufgestauter Hass auf die kapitalistischen Unterdrücker?
Warum wurden durch Vernichtung der Traditionen, etwa den wunderbar vielgestaltigen Trachten, die Kulturen wirklich ausgelöscht?
Klar, weil man dann wunderbar nackt voreinander steht, und ohne erkennbare Unterschiede der Verschmelzung in einer gesichtslosen Masse „einfacher“ Leute nichts im Wege steht.
Im Kommunismus wurde das mütterliche Prinzip „ohne Ansehen der Person“ einseitig verwirklicht, und deshalb musste alles weg, was mit Individualität zu tun hat. Das führend-männliche Prinzip wurde der Partei als Diktator übergeben.
Auf der anderen, der national-sozialistisch-chauvinistischen Seite wurde das Ego-Prinzip über alles erhoben. Also wo einer (der Führer) allen seine Ansichten überstülpt, was Kultur ist und wie man das Leben zu führen und zu gestalten hat. Nur ein Prinzip wurde geduldet, das sich als Konkurrenz zu anderen Kulturauffassungen verstand. Da stand die deutsche Lebensweise auf einmal gegen die französische, die amerikanische etc., und im eigenen Land musste alles ausgemerzt werden, was der Vorstellung nicht entsprach.
Sprich das väterliche Prinzip wurde einseitig gelebt, dass mit der Vielgestaltigkeit wimmelnd-bunten Lebens nicht klarkommt.
Vielleicht wird das Gemeinte durch einen Blick auf die Gegenwart klarer. Die gleichen Prinzipien stehen sich nach wir unversöhnt gegenüber, nur heißen sie jetzt etwas anders. Da haben wir
- die bunten Weltumarmer, die alle (Eigen-) Arten – auch in Form kultureller Unterschiede – zugunsten einer One-World-Family leugnen und sie vermischen wollen,
- und die Patrioten, die gerne (von staatswegen) allen vorschreiben möchten, was deutsch oder sonstwie national richtig ist.
(Sollte sich hier Verwirrung einstellen, nimm Dir bitte Zeit, und lies von vorne. Es dauert nach meiner Erfahrung eine gewisse Zeit, bis die Grundmotive in all dem Durcheinander fassbar werden.)
Was sich heute in links-rechts bekämpft, oder damals als das Nationale vs. das Internationale, sind die wiederholt genannten zwei Welten: der Wirpol und der Ichpol.
Wie man sie zusammen ohne Kampf und wechselseitige Vernichtung zusammenbekommt, hat Rudolf Steiner in der „Sozialen Dreigliederung“ beschrieben, doch dieses Thema heben wir uns auf.
Es ging ja um den Nazi als Kampfbegriff.
Worte mit magischer Wirkung
Seine Wirksamkeit beruht zum einen Teil auf dem Nebel, der darum gewoben wurde. Er scheint sich auf reale Vorkommnisse zu beziehen, Stichwort Kriegschuld und Holocaust. Doch im Unterton enthält er auch die Warnung, nach diesen Vorkommnissen nicht konkret zu fragen (was ja auch per Gesetz verboten ist).
Ähnlich wie Greta Thunberg mit ihrem medienwirksamen „how dare you?“ (wie könnt ihr es wagen?) impliziert der Begriff Nazi eine Grenze, deren Überschreitung durch Brechen des Tabus die Tore zur Hölle öffnet. Er ist darauf ausgelegt, uralte Emotionen zu wecken. Er hat die Wirkung jener Zauberworte, die in alten Tagen jeden Widerspruch der Egos zum Schweigen brachten, und sie per magischen Zwang in die gesichtslose, demütig-duldende Masse zurückstieß.
Schweig, du Ausgeburt!
Wir erinnern uns an „so einer“ und an „die Brut“ aus dem letzten Beitrag. Als anders- oder abartig erkannt oder auch nur gebrandmarkt* zu werden kam in jener grauen Vorzeit einem Todesurteil gleich, und diese Erinnerung lebt bis heute in uns. So „jemandem“ wurden alle persönlichen Rechte entzogen, und er war dem Richtspruch auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. All das weckt dieser Begriff nach jahrzehntelanger Anreicherung mit Horrorbildern in uns.
*(Interessanterweise bedeutet Holocaust „Brandopfer“. Ob wohl eine innere Verbindung zur Brandmarkung besteht?)
Es gibt eine Sphäre, wo man aus dem Rational-Verstehbaren in dunkle, mythische Tiefen vorstößt. Wo klare Sinne vom Wahnsinn verzehrt werden, aus Abgründen das namenlose Grauen emporsteigt und wo das Unaussprechliche die Seele mit Entsetzen erfüllt. In diese dunklen Tiefen zieht uns dieser Nazi, wo auch die Angst wohnt, bei anderer Meinung alle gegen sich zu haben.
Und da mag der Verstand noch so sehr nach der Machbarkeit des Genozides fragen, oder mit den 20 Millionen Opfern des Stalinismus aufzurechnen versuchen – eine Unsicherheit bleibt dennoch.
Erlösung
Damit sie weichen kann, müssen wir uns im ersten Schritt wieder mit der geschilderten irrational-mystisch-dunklen Seite des Lebens vertraut machen.
Mythen und Märchen wurden uns ja genommen, unter anderem, weil sie angeblich „zu grausam“ sind. Aber die Sehnsucht zur Ergründung des Schattenreiches lebt unübersehbar, sonst wären die zahlreichen Filmportraits von Psychopathen nicht für so viele so magisch anziehend. Etwa das vom Joker, der Schritt für Schritt in diese Nacht gleitet und zum Ungeheuer wird.
Doch der Dichter in uns weiß, dass dort unten im Zwielicht nicht nur das sogenannte Böse wohnt. Es ist das (Mutter-) Reich der Übergänge, wo die Grenzen verschwimmen und Dinge nicht mehr erklärbar sind. Nur mit Glauben und Vertrauen hält man dort unten stand, darauf, dass auch die größten Tragödien ihren Sinn haben, wie der Verlust von Liebsten. Der Verstand weiß keine Antwort auf das klagende „Warum?“, denn Trost kann nur die Mutter spenden dem, der ihr vertraut.
Zu ihr und ihrer Lebenssphäre haben wir Deutschen den Zugang verloren, die wir nicht mehr über den Tod sprechen und ihn mit der Apparatemedizin gern überflüssig machen würden. Ja, wir klagen auch nicht mehr, wie wir auch nicht mehr singen, tanzen und uns Geschichten erzählen. Wir haben uns dem Leben entfremdet, und das muss anders werden.
Im zweiten Schritt zur Befreiung von der Macht des Nazi müssen wir aufhören, uns in Schuldfragen verwickeln zu lassen.
Es hat seinen guten Grund, warum heute nicht mehr „Auge um Auge“ gilt, sondern „richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet“. Denn wer sich heute anmaßt zu richten, und sei es auch nur im Zurückgeben der Schuld, der betritt gefährlichstes Terrain. Wer mit der unteren Welt, den Abgründen des Seins (wieder) vertraut ist, der weiß, dass es Flüche gibt und Zauberei.
Am eigenen Leib durfte ich die Wirkung eines (ungerechten) „das ist alles deine Schuld“ erleben. Das geht tief, und das kriegt man auch mit Argumenten nicht mehr los. Wird ein solcher Richtspruch gefällt, entfaltet er seine unheilige Wirkung. Wir dürfen nicht über Schuld sprechen, weil wir sie gar nicht zu ermessen vermögen. Nur eines können wir tun, was tatsächlich aber viel ist: nach Aussöhnung suchen durch „ins Bild setzen“ der Ereignisse und Beteiligten.
Nicht aufrechnen, sondern unvoreingenommen-unparteiisch einfach schildern was war.
Dann kommt auch zum Vorschein, worum es Anfang des letzten Jahrhunderts ging, nämlich um die gut gemeinte Suche nach Lösung der Sozialen Frage. Dass man Ideen verfiel und in Streit geriet, das war eben tragisch. Doch es kann nur helfen, mit der Vergangenheit Frieden zu schließen, und sich im Wissen die Hände zu reichen, dass letztlich jeder nur das Beste wollte. Das ist für mich deutsche Geistesart.
Zu guter letzt als dritter Schritt sollten wir Begriffe wie Nazi nicht mehr verwenden, und auch nicht Schlafschaf, Verschwörungstheoretiker und all die anderen (tatsächlich) diskrimierenden Pauschalverurteilungen. Nebenbei, und das verstärkt die Wirkung, transportieren sie Verhöhnung. Recherchen ergeben, dass Nazi einst die Koseform des Vornamens Ignaz war, doch vom Kosen ist der Schritt zum Kleinmachen nicht weit. Folgerichtig wurde er auch als „Begriff für eine einfältige, törichte Person“ gebraucht, sowie für Deutsch-Österreicher und Deutsch-Böhmen.
Verhöhnung ist aber unserer nicht würdig, wie ich auf der Startseite formulierte, sondern „Friedfertig und besonnen bleiben, Verständnis aufbringen und Respekt erweisen: das ist des Deutschen würdig – also die Würde anderer unter allen Umständen zu wahren.“
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